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Leistungsorientierte Zucht

SHC-Aktuell 12 (Februar 2002)- Dr. Detlef Oyen

Der Kynologe Dr. Hauck schrieb schon 1930 Die wichtigste Pflicht des Züchters ist die Erhaltung der Lebenstüchtigkeit der Rasse. Sodann gilt es, Form und Leistung auf der Höhe zu halten, im Bedarfsfall sogar abzuändern und zu verbessern! Bevor gezüchtet wird, ist das notwendige Wissen zu erwerben ...“

Das oben zitierte Motto gab mir unsere neue Redakteurin mit auf den Weg, als sie mich gebeten hat, einen Artikel über das Züchten von Rennhunden zu schreiben. Zugleich schickte sie ein Bündel von Fragen, die ich als Gerüst für den Artikel verwende und durch Kursivschrift kenntlich mache.

Wie kann man das notwendige Wissen erwerben? Durch einschlägige Fachliteratur (z.B. Die Technik der Hundezucht von Dr.Dieter Fleig), oder ist es besser erfahrene Züchter zu befragen? Wer hat Dich gelehrt zu züchten, bzw. wie hast Du Dein Wissen erlangt?

Die einschlägige Fachliteratur ist teilweise mit Vorsicht zu genießen. Das erwähnte Buch von Dr. Fleig ist hervorragend. Es befasst sich mit der Anatomie von Rüde und Hündin, dem Deckakt, dem Wurf, der Welpenaufzucht usw. Es ist in dieser Hinsicht meines Erachtens das beste Buch, ein absolutes Muss für jeden Züchter! Aber es behandelt wirklich nur die technischen Aspekte der Zucht, wenn die Auswahl der Elterntiere schon erfolgt ist.
Diverse Bücher zum Thema Genetik sind für den nicht naturwissenschaftlich Vorgebildeten teilweise schwer verständlich. Sicher sollte ein Züchter Grundzüge der Genetik kennen, unter anderem solche Begriffe wie Inzucht, Linienzucht, Outcross, Kreuzungsvitalität und die damit verbundenen Vor- und Nachteile. Elementar ist beispielsweise das Wissen, dass viele Erbfehler mit dem Verlust von Pigment einhergehen. Fans weißer Hunde sollten darüber intensiv nachdenken.
Nur: Diese Bücher helfen uns nicht beim Aussuchen der Zuchtpartner!
Ich habe die Grundlagen der Zucht in langen und häufigen Gesprächen mit erfahrenen Züchtern gelernt. Diese Züchter waren durchaus nicht immer Siberian-Husky-Züchter. Aber sie wussten mehr als ich zum damaligen Zeitpunkt und hatten bewiesen, dass ihr Weg funktioniert. Wie? Durch Erfolge auf den Rennen mit selbstgezüchteten Hunden.
Ich habe viel von Anneliese Braun in den Anfängen gelernt; ich habe gut zugehört, wenn Karl-Heinz Luschützky über die Zucht von Alaskans referiert hat. Bei meinem Freund Ole Dag Lövvold (Vargteam Kennel) habe ich meine Basis und das Gefühl für die wirklich wichtigen Aspekte der Zucht und vor allem der Selektion gelernt. Ole brachte mich bereits 1987 mit Roger Leegard (Teamster Kennel) zusammen. Ich habe in Norwegen fast jeden der Großen kennengelernt, auch Christina Jörgenfeldt, die charismatische Frau von Karsten Grönas (Vargevass Kennel), die ein immenses Wissen hatte und bereit war, es weiter zu geben.
Das Motto heißt Zuhören – nicht erzählen, was man selbst für ein toller Kerl ist. Wenn ein erfahrener Musher und Züchter in Redelaune ist, höre gut zu und schau’, dass er weiterredet und nicht die Lust verliert (das habe ich übrigens von Deutschlands erstem Iditarod – Finisher Peter Fromm gelernt).

Ich glaube, dass es wichtig ist, die eigenen Ziele festzulegen, z. B. was will ich mit dem gezüchteten Hund erreichen, wo soll er eingesetzt werden, welche Anforderungen stelle ich an ihn?
Welche Ziele hast Du dir am Anfang festgelegt und welche Ziele verfolgst Du heute?

Das ist die wichtigste Frage überhaupt. Was will ich? Ich habe 1985 nach einigen sehr erfolgreichen Jahren mit meinen beiden Pulkahunden beschlossen, in die 6-Hunde-Klasse zu wechseln. Dafür habe ich noch vier junge Hunde gekauft. Ganz schnell habe ich festgestellt, wie viel Spaß Gespannfahren macht. Und wer von uns liebäugelt nicht mit einem offenen Gespann? Ich habe beschlossen, diesen Traum zu verwirklichen.Das bedeutet im Klartext, dass mein Ziel vom siebten Hund an ein unlimitiertes Gespann war.
Wenn du offen fahren willst, denke an ein offenes Gespann, und an nichts anderes. Züchte nicht mit Deinem besten limitierten Hund in der Hoffnung, die nächste Generation werde schon besser. Wird sie vielleicht, wenn du gut gezüchtet hast. Aber wie lange soll es denn dauern, bis endlich Qualität vor dem Schlitten steht? Und was machst du mit den mittelmäßigen Hunden, die du auf dem Weg dorthin produziert hast? Alle ins Tierheim? Verkaufen, verschenken, egal wohin? Das kann es ja wohl nicht sein!
Es gibt nur einen Ausweg: Kaufe eine wirklich gute Hündin, und zwar vom besten Team in Deutschland oder Europa. Sie darf alt sein, sie darf teuer sein, aber sie muss getestet sein auf Top-Rennen mit Top-Ergebnissen. Wenn du eine solche Hündin nicht kaufen kannst oder sie nicht bezahlen kannst oder willst, kaufe einige Welpen aus dem besten Team, deren Eltern zu den Leistungsträgern in diesem Team gehören. Zieh’ sie groß, bilde sie aus, teste sie hart und nimm den Besten zur Zucht. Mache keine Kompromisse! Du gestaltest die Zukunft Deiner Zucht!

Wie kann man die Lebenstüchtigkeit erhalten? Welche gesundheitlichen Aspekte sind wichtig? Welche Körpermerkmale sind wichtig? Welche Charaktereigenschaften sind wichtig? Wie kriegt man Erfahrung in bezug auf diese Merkmale?

Unsere Rasse ist erfreulicherweise eine „naturgesunde“ Rasse. Man soll das zwar nicht überschätzen, aber im Vergleich zu vielen anderen Rassen ist der Siberian Husky in einem besseren Zustand, solange er konsequent auf Leistung gezüchtet wird. Der Weg des SHC hat sich nach zehn Jahren als richtig und erfolgreich erwiesen. Unsere Hunde sind weitestgehend HD-frei. Hinsichtlich der Augenuntersuchungen müssen wir die Ergebnisse der SHC-Studie abwarten. Ich habe jedenfalls freiwillig wesentlich mehr Hunde untersuchen lassen, als für unsere Studie nötig war. Dies gehört meines Erachtens zur Verantwortung des Züchters.
Körperliche Merkmale sind wichtig für den Athleten, der unser Schlittenhund nun einmal ist. Ich möchte keine einzelnen Punkte herausheben, da in erster Linie die Harmonie der gesamten Anatomie wichtig ist. Ein Hund mit einer Super-Schulter und einer mäßigen Hinterhand wird nie ein guter Hund sein, umgekehrt funktioniert es auch nicht.
Ich betrachte bei einem Hund als erstes die Größe im Verhältnis zum Gewicht. Ich möchte keine Extreme sehen. Ein zu schwerer Hund kann weder Tempo noch Distanz gehen. Ein zu großer Hund kommt nicht über die Distanz, vor allem bei Höhendifferenzen, wie sie im Alpentrail an der Tagesordnung sind. Ein zu kleiner Hund fällt in jedes Loch und bringt nicht genügend Kraft. Als Nächstes achte ich auf das berühmte Rechteckformat, dann schaue ich auf Schulter, Hinterhandwinkelung, Kruppe, Rutenansatz und Karpalgelenke. Nicht die Rückenlinie vergessen! Der Kopf darf nicht zu schwer sein. Die Muskulatur muss man erfühlen.
Nochmals: Ich möchte keine Extreme sehen, aber ich kann wohl behaupten, dass die von mir gezüchteten Hunde fast ausnahmslos exzellent gebaut sind. Ich habe mir lange Jahre anhören müssen, ich würde zu sehr auf Körperbau achten. Der Erfolg hat mir letztlich Recht gegeben.
Was ich am stehenden Hund nicht und am an der Leine geführten Hund kaum sehen kann, sind für mich zwei Eckpunkte im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit: Die Qualität der Bewegung und insbesondere die Flexibilität im Rücken. Hier braucht es ein geschultes Auge. Man muss viele Hunde freilaufend und im Gespann gesehen haben, um diese Unterschiede zu erkennen.
Zum Rassestandard habe ich nichts gesagt: Da müssen sie halt hereinpassen. Der Rassestandard lässt breiten Raum für die Variationen zwischen Schauhund und Rennhund. Für mich persönlich war es eine große Freude, als im vorigen Jahr Rudi Hardtmann meine Top-Leaderin Lukka als beste Hündin vor einer Hündin aus der Siegerklasse platziert hat. Sie wurde dann Best in Show. Herr Hardtmann sagte nachher, sie habe in erster Linie wegen ihrer guten Bewegung gewonnen.
Ein weiterer Punkt ist die Qualität des Stoffwechsels, gerade für einen Distanzhund. Hier hilft nur das Austesten des Hundes, und zwar möglichst über mindestens zwei Winter in hochklassigen Rennen.
Mit diesem Thema direkt verbunden ist die Problematik der Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Ein hypothyreoter Hund ist nicht leistungsfähig. Eine ganze Menge sogenannter „limitierter Hunde“ leiden mit ziemlicher Sicherheit an einer Unterfunktion der Schilddrüse. Dieses Problem ist nachgewiesenermaßen erblich; man kennt den genauen Erbgang jedoch nicht. Es gibt nur eine wirklich sinnvolle Maßnahme zur Bekämpfung der Hypothyreose: Man muß betroffene Hunde konsequent von der Zucht ausschließen. Dieses Kriterium kennt nur der Züchter, nicht der Verein. Hier ist also ausschließlich der Züchter in der Verantwortung.
Und der wichtigste Körperteil des Hundes liegt zwischen den Ohren (Jim Welsh) ! Ein guter Hund muss gnadenlos hart im Kopf sein. Er/sie gibt nicht auf, auch wenn er/sie schon längst auf Reserve läuft. Die Siegertypen im Sport sind diejenigen, die weitermachen, auch wenn es weh tut. Bei unseren Hunden sind Tempohärte, Distanzkapazität und Steigfähigkeit (v.a. im Alpentrail) gefragt. Zugleich sollen sie ansprechbar bleiben und nicht mental „zumachen“.
Die Erfahrung zu all diesen Kriterien bringt nur die Zeit. Man muss mit offenen Augen durch das Leben laufen, Kontakt zu den Großen in unserem Sport suchen und jede Möglichkeit wahrnehmen, bei Top-Teams mitzufahren. Man muss sehr viele Hunde fahren und anschauen. Beim Schauen sollte man sich auch nicht unbedingt auf Siberians beschränken.
Ich selbst habe beispielsweise meinen Spook of Sepp-Alta von Doug Willett 1986 mit der Bemerkung bekommen, er sei besonders ruhig und weich in der Bewegung. Ich habe mir erklären lassen, was er meinte, und dann habe ich Spook verglichen mit meinen anderen Hunden. Und ich habe Unterschiede gesehen. Ein ähnliches Schlüsselerlebnis war der Kauf der NAC-Leaderin Zero’s Mixer von Dunlap. Sie war herausragend in der Bewegung. Ich hatte nur zwei Hunde, die so liefen wie sie. Nach dem ersten Mixer-Wurf hatte ich sechs weitere. Der Unterschied zu meinen anderen Hunden war augenfällig. Mixer hat mir die Augen geöffnet, wie ein Top-Hund sich bewegen sollte. Sie brachte die Flexibilität des Rücken in meine Linie. Und sie zeigte mir einen Bewegungstyp, der anders als bei den Seppalas (Spook!) nicht nur ökonomisch, sondern auch brutal schnell ist.

Wie kann Form und Leistung verbessert werden ? Durch Outcross? Wie weiß ich welcher Outcross mich weiter bringt, wann ist es besser auf „Altbewährtes“ zurückzugreifen?

Form kann nur durch Training verbessert werden. Ist mit Form „Struktur“, das heißt das physische Auftreten (Körperbau) und/oder der Stoffwechsel gemeint, dann gibt es zwei Grundregeln:

Ein Zuchtpartner kann nur das weitergeben, was er selbst hat. Was er/sie nicht hat, muss durch den anderen Zuchtpartner in die Verbindung eingebracht werden. Schwächen des einen Zuchtpartners müssen Stärken des anderen Zuchtpartners sein.
In meinem Zwinger sind Züchter, die zum Decken kommen manchmal verwundert, dass ich nach den Fehlern und Schwächen der Hündin frage. Mein Ziel ist klar: Ich suche einen Rüden, der genau in diesen Punkten besonders gut ist.
Muss ich extra hervorheben, dass die Chancen auf guten Nachwuchs um so größer sind, je weniger Schwächen beide Zuchtpartner haben? Hier hilft nur knallharte Selektion.
Der Begriff Outcross bezeichnet das Herausgehen aus einer Linie. Ein Outcross setzt also voraus, dass der eine Zuchtpartner ein in- oder liniengezüchteter Hund ist. Wenn ich also eine meiner Zero-Hündinnen von einem Rüden mit wenig oder keinem Zero-Hintergrund belegen lasse, wäre das ein Outcross. Der Sinn des Outcross ist es, Eigenschaften in eine Linie zu importieren, die ihr fehlen.
Ich kann also nicht pauschal sagen, ob ein Outcross mich weiter bringt. Vor jedem Zuchtgeschehen sollte die kritische und ehrliche Analyse stehen, wie gut oder schlecht meine Hündin ist, und was ihr an erwünschten Eigenschaften fehlt. In diesem Punkt fehlt es bei den meisten Züchtern. Alle haben nur gute Hündinnen, weitgehend ohne Fehler. Und viele haben auch noch den fehlerlosen, perfekten Rüden dazu im eigenen Zwinger stehen, oder?
Und noch etwas: ein Outcross ist gut und schön. Danach muss man wieder in seine Linie zurück. Mehrere Outcrosses in Folge sind der Tod einer Linie. Es entstehen Individuen mit einem sehr heterogenen Erbgut, welches eben aus verschiedensten Vorfahren stammt. Bei diesen Individuen sind Erwartungen an eventuelles Aussehen oder Leistungsfähigkeit der Nachkommen reine Spekulation.
Das Zurückgreifen auf Altbewährtes hat für mich einen etwas negativen Beigeschmack. Es klingt so sehr nach Stagnation. Da kommt nichts Neues, es geht nicht vorwärts. Ein gelungener Wurf bedeutet, dass die Welpen besser werden als eines der Elterntiere; ein richtig guter Wurf heißt, dass die Welpen besser werden als beide Elterntiere. Das ist Fortschritt! Glaubt irgendein Siberian-Züchter, Alaskans und Hounds würden nach anderen Kriterien gezüchtet?

Züchter wie Doc Lombard, Reijo Jääskeläinen und auch andere haben teilweise sehr ingezüchtet (Geschwisterverpaarungen, Vater und Tochter, Mutter und Sohn ....). Hast Du das auch mal probiert? Wie ist Deine Meinung dazu?

Das ist das andere Extrem. Inzucht ist das Verpaaren miteinander nah verwandter Individuen. Der wissenschaftlich eigentlich nicht korrekte Begriff der Linienzucht beschreibt das Verpaaren von miteinander verwandten Individuen.
Ich habe noch nie eine solch enge Verbindung mit Absicht vollzogen. Der einzige Inzuchtwurf in meinem Zwinger war eine ungewollte Halbgeschwisterverpaarung, aus der mein Rüde Sergeant Pepper entstanden ist. Die Kombination war überaus reizvoll: Beide Elterntiere sind Kinder meines alten Leaders Bumper, der selbst ein streng liniengezüchteter reiner Zero-Hund ist. Die beiden anderen Großeltern dieses Wurfes waren Zero’s Mixer (100% Zero) und Volkovoj’s Lara (50% Zero). Klingt gut, nicht wahr? Viel interessanter ist aber die Tatsache, dass Bumper, Mixer und Lara von 1992 bis 1995 die drei Spitzenhunde und Leader meines Unlimited-Sprint-Teams waren.
Ich möchte damit klar sagen, dass es nicht um das Produzieren schöner Ahnentafeln geht. Es ist viel wichtiger, darauf zu achten, dass die Zuchthunde von überragender Qualität sind. Mein Credo lautet: Der beste Rüde und die beste Hündin sind mit hoher Wahrscheinlichkeit eine sehr erfolgversprechende Kombination. Ich habe jahrelang jeden Sommer diese Zuchtplanung verfolgt – fast immer mit sehr gutem Erfolg.
Übrigens: Mein Sergeant wurde als ingezüchteter reiner Zero-Rüde züchterisch der Nachfolger von Bumper, weil er selbst ein Spitzenhund im Gespann war. Er hat exzellente Nachkommen produziert. Aber das Risiko eines Inzuchtwurfes besteht nun einmal darin, dass man nicht nur die guten, sondern auch die schlechten Eigenschaften aufdoppelt. Linienzucht ist weit weniger riskant.
Inzuchtwürfe braucht man nur zum Fixieren einer Linie, d. h. am Ende einer langen züchterischen Entwicklung oder zum Sichern verloren gehender Erbinformationen (beispielsweise dann, wenn aus einer Linie nur noch wenige Individuen zur Zucht zur Verfügung stehen).
Harris Dunlap hat das züchterische Instrument Inzucht virtuos beherrscht. Wie alle anderen hat er aber auch seine Misserfolge vernichten müssen. Wahrscheinlich hat er konsequenter ingezüchtet als alle anderen Sibirier-Züchter in den letzten 30 Jahren. Das Ergebnis war der absolut typische Zero-Hund mit einem hohen Leistungsstand.
Auch die Norweger, die Dunlap-Hunde gekauft haben, haben stark ingezüchtet. Diese Hunde sind meine Zuchtbasis, ergänzt durch die Dunlap-Hunde, die ich 1992 beim Ausverkauf des Zwingers erworben habe. Zum Teil rührt meine Vorsicht mit Inzuchtverpaarungen auch daher.
Es gibt für mich nur einen Grund, Inzuchtwürfe oder aber (besser!) strenge Linienzucht anzustreben: Das ist der Erhalt einer Linie. Es gibt nicht viele Züchter, die – wie ich – reine Zero-Siberians im Zwinger haben.
Möchte ich mir also die Möglichkeit erhalten, mit reinen Zero-Siberians weiter zu züchten, muss ich diese Linie erhalten, wenn es niemand sonst tut.

Um eine kontrollierte und effektive Linienzucht zu erreichen, muss wahrscheinlich auch entsprechendes Wissen über das Pedigree vorhanden sein. Welche Aspekte sind hier wichtig (Leistung der Vorfahren, etwaige Mängel, Wesensschwächen)? Auf was achtest Du im Pedigree?

Und noch einmal: Schau’ Dir den Hund an, nicht den Pedigree. Pedigrees ziehen keinen Schlitten ! Natürlich muss man eine Ahnentafel lesen können, aber ganz anders, als die meisten Züchter denken. Das Wissen bedeutet wissen, wie sahen die Vorfahren aus? Wie gut waren sie? In welchem Team, in welcher Position sind sie gelaufen? War es zu dieser Zeit ein Spitzenteam? Welche Distanzen, welche Klassen sind diese Hunde gelaufen? Gibt es andere Nachkommen aus diesen Hunden? Wie gut waren die? Sind die Vorfahren häufiger zur Zucht eingesetzt worden? Wenn ja: Mit welchen Zuchtpartnern waren die Verpaarungen erfolgreich, mit welchen weniger? Warum?
Nur die Selbstverständlichkeiten stehen in den Ahnentafeln: Farbe, HD-Befund, Alter und beim SHC auch ein Leistungszertifikat sofern vorhanden.
Ich habe den Hintergrund meiner Norweger und meiner Amerikaner sehr gut gekannt. Ich habe Bildersammlungen (die ich überwiegend selbst fotografiert habe) von einigen Generationen hinter meinen Stammhunden, außerdem Bilder vieler Hunde, die mit den Vorfahren meiner Stammhunde nah verwandt sind. Viele dieser Hunde habe ich auch selbst laufen sehen. Das gibt ein ganz anderes Verständnis für den Hintergrund. Ich achte im Pedigree eigentlich nur auf die Namen. Die Hunde, die sich hinter diesen Namen verbergen, sollte ich als Züchter kennen. Der Pedigree gibt eine Art „Generalinformation“, die aus dem Wissen des Züchters heraus ergänzt werden muss.

„Knallharte Leistungskriterien“ – Was heißt das konkret? Wie selektierst Du?

Selektion ist eines der Schlüsselwörter für erfolgreiche Zucht. Knallharte Selektion bedeutet genau das, was die beiden Wörter sagen. Ich bin der schärfste Kritiker meiner Hunde. Es gibt einfach keinen Hund, der nur gut ist. Irgend etwas findest du immer, was auch an Deinem besten Hund nicht optimal ist. Du hast einen Hund, der nahezu perfekt gebaut ist. Er geht jedes Tempo, auch als Leader. Er ist hart im Kopf, führig, immer gut drauf, läuft jede Distanz. Wetten, dass dieser Hund ein schlechter Fresser ist? Sein Zwingergefährte ist genauso gut gebaut, läuft alles, nur nicht Lead, jede Distanz. Dafür ist er im Rudel ein Stinkstiefel, weil er Selbstbewusstsein mit Aggressivität verwechselt. Nimm’ Deine beste Hündin. Sie kann alles. Aber sie geht in Lead nicht an einer Gruppe von Zuschauern vorbei, weil sie scheu ist. Verstanden?
Und wenn du einen Hund hast, der wirklich alles kann, dann vererbt er es garantiert nicht weiter. Aber weil er eben alles kann, werden seine Nachkommen besser sein als der Durchschnitt.
Knallharte Selektion bedeutet in Bezug auf Leistung vor dem Schlitten die Fähigkeit zur Kritik ohne jede Emotion. Ich muss die Schwächen meiner Hunde sehen wollen. Wenn mein Lieblingshund im Gespann schwächelt, weil die anderen Hunde im Team einfach besser sind, muss ich das einfach realistisch sehen. Er/sie kann ja mein Lieblingshund bleiben, aber zum Züchten wäre vielleicht doch einer der anderen besser, oder? Aber es gibt eine solche Vielzahl von Entschuldigungen, warum dies und jenes nicht funktioniert hat oder das ganze Team oder ein einzelner Hund schlecht war. Einmal ehrlich: Wäre es nicht sinnvoller, sich auf dem Heimweg nach dem Rennen Gedanken zu machen, warum andere Teams besser sind, statt Entschuldigungen zu suchen? Fehleranalyse ist die Voraussetzung für eine Verbesserung, auch wenn sie unbequeme Wahrheiten zu Tage fördern mag.
Harris Dunlap hat einmal vor etwa 15 Jahren seine Kriterien für die Bewertung von Zucht- und Rennhunden veröffentlicht. Seine Liste umfasste sage und schreibe 36 verschiedene Punkte, die mit Bewertungszahlen von eins bis fünf versehen wurden. Das Ganze war dann in seinem Computer gespeichert (okay, Harris hatte mindestens 150 Hunde).

Manchmal ist es notwendig die Ideale zu ändern oder geplante Ziele zu verschieben. Wie und Warum bist Du von Deinen ursprünglichen Zielen abgewichen?

Ich habe meine Ziele im Prinzip nur einmal verändert, nämlich als ich von der offenen Klasse Sprint in die Distanzszene gewechselt habe. Das hatte für meine Zuchtauswahl allerdings nur wenige Konsequenzen. Ich habe bereits meine Gründungshunde fast ausschließlich aus Distanzteams gekauft, und schon die Hunde aus meinem A-Wurf (unter anderem mein Bumper) sind spätestens mit vier Jahren offene Klasse Sprint gelaufen. Der alte Bumper war sogar noch im ersten und zweiten Alpentrail in Christines 8-Hunde-Team dabei. Beim Wechsel in die Mitteldistanzszene kam nur begrenzt ein Umbruch im Gespann. Zu jener Zeit fand sowieso ein Generationswechsel statt, bei dem die Dunlap-Hunde, die ich im Jahr 1992 gekauft hatte, züchterisch eine gravierende Rolle gespielt haben. Vor allem Zero’s Mixer hat im Team als Leader, aber vor allem als Zuchthündin Spuren hinterlassen.
Ich habe in den ersten Jahren des Distanzfahrens nicht mehr in dem Maße auf die Fähigkeit, hohe Geschwindigkeiten zu laufen, selektiert. Das war ein Fehler, den ich recht schnell erkannt und dementsprechend korrigiert habe.
Im Rahmen der sechs Alpentrails habe ich vor allem die Zusammenhänge zwischen Anatomie und Verletzungsanfälligkeit festgestellt. Ich achte heute auf Details, die ich früher nicht gesehen oder nicht korrekt bewertet habe.
Andererseits gibt es einfach Grundsatzentscheidungen. Vor zwei Jahren standen Dieter Dolif und ich bei einer SHC-Zuchtschau mit je einem Rüden nebeneinander. Irgendwann meinte Dieter, er könne sich nicht vorstellen, mit einem Hund meines Typs den Yukon Quest zu fahren. Umgekehrt war mir Sekunden zuvor durch den Kopf gegangen, dass Dieters Hund unmöglich ein so schnelles Rennen wie das Alpentrail in einem schnellen Team laufen könnte.
Mein Ziel sind die in Mitteleuropa typischen Distanzrennen mit einer hohen Durchschnittsgeschwindigkeit. Außerdem möchte ich die Konkurrenzfähigkeit in Sprintrennen erhalten. Hier sind die Euro-Hounds eine echte Herausforderung. Mir haben eben immer die Alpirod-Teams imponiert, die auf allen Strecken zwischen 20 und 120 km die Maßstäbe gesetzt haben.

Was hat sich geändert wenn Du von Deinen heutigen Zuchterfolgen zurückblickst auf Deinen ersten Wurf oder Deine erste Würfe ? Was hast Du damals für Fehler gemacht?

Glücklicherweise habe ich nicht allzu viele Fehler gemacht. Siehe oben: Mein (Shaktoolik’s A’) Bumper aus dem Jahr 1988 wurde der bislang immer noch bedeutendste Zuchtrüde im Zwinger. In meinem Top-Team der Jahre 1997 bis 1999 waren unter den besten zwölf Hunden sieben Bumper-Kinder und ein ingezüchteter Bumper-Enkel.
Es gab nur wenige Würfe, aus denen nichts für das Team übrig geblieben ist. Dafür gab es auch einige wenige Würfe, aus denen mehrere (mehr als zwei) Hunde den Weg in mein Gespann gefunden haben. Die Elterntiere dieser Verbindungen waren selbst Extraklasse, d. h. auch nach meinem eigenen Maßstab der „knallharten Selektion“ ein bisschen besser als die anderen.
Die Fehler der ersten drei Jahre rührten daher, dass ich zu dieser Zeit noch nicht in der offenen Klasse gefahren bin und einfach noch nicht das Auge für die Qualität der Hunde (und ihre Fehler) hatte.
Ich bin zwischendurch von der Anzahl der Hunde und von der Linie her „in die Breite gegangen“, um eine möglichst große Auswahl zu haben. Dabei sind Hunde im Zwinger geblieben und auch in die Zucht geraten, die sich nachher eben doch nicht als wahre Tophunde erwiesen haben. In der Folge habe ich meine Kriterien zur Selektion überdacht und verschärft.
Der größte Wandel in meiner Zucht betrifft die Führigkeit meiner Hunde. Schon meine Importhunde konnte ich nahezu ausnahmslos frei laufen lassen. Dasselbe gilt für die meisten Hunde in meinem Gespann. Doch auch hier gibt es Unterschiede. Mein alter Brassy war nicht nur gut, sondern auch fast unnatürlich brav; das gleiche gilt für Elvira und ihren Sohn Leroy. Und mein letzter Leroy-Wurf, jetzt gerade sieben Monate alt, ist wiederum so führig, dass es die reine Freude ist. Es macht einfach mehr Spaß, mit Hunden zu arbeiten, die dir gefallen wollen, die merken, ob du mit ihnen zufrieden bist. Christina Jörgenfeldt hat diesen Charakterzug einmal mit „willingness to cooperate“ bezeichnet und ihn auf ihrer Liste der Selektionskriterien weit oben platziert. Je länger ich züchte und arbeite, desto wichtiger wird für mich diese Eigenschaft.
Dennoch kann ich mit meiner Kenntnis des Hintergrundes über fünf bis acht Generationen, über die Zero-Linie und meine inzwischen eigene Linie nicht mit Sicherheit vorhersagen, was eine bestimmte Verbindung bringt. Vielleicht liegt meine Trefferquote bei solchen Voraussagen höher als bei anderen. Aber manche Entscheidungen wird auch aus dem Bauch heraus getroffen. Die Basis für eine solche Entscheidung sind aber immer Fakten und eben harte Selektion. Das Sammeln von Fakten kann jeder erlernen, das Auswählen von Zuchthunden auch, wenn er/sie sich Mühe gibt. Die Intuition, im Zweifelsfalle die richtige Lösung zu finden, ist wie im übrigen Leben auch eine Gabe, die sich nicht erlernen lässt. Hier ist es wie in Sport oder Kunst: Training und Willen allein reichen nicht, man muss ein gewisses Talent mitbringen.

Quelle: www.huskyclub.de

 

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